RATHAUS GÜSSING / GENERALSANIERUNG / GESCHICHTEDas Rathaus steht auf den Überresten der nördlichen Stadtmauer, die vermutlich im 14. Jahrhundert errichtet wurde.
1840 liess Fürst Philipp Batthyány (1781-1870) an diesem Platz den „neuen Judentempel“ errichten, den er an die Gemeinde weitergab.
1910 Ansicht vom Hauptplatz
1931 Innenansicht
1932 Feldskizze - Eigentümer der Grundstücke 20, 21, 22 und 23 ist die Israelitische-Kultus-Gemeinde-Güssing.
1937 Ansicht vom Hauptplatz
1937 Ansicht von der Grabenstrasse - Im Hintergrund die Synagoge und davor das Haus des Rabbiners.
Bis 1938 wurden die jüdischen Bewohner grösstenteils vertrieben. Während des Novemberpogroms wurde der Judentempel durch die Nationalsozialisten geschändet und die gesamte Einrichtung verbrannt. SA Männer versuchten auch den Tempel selbst in Brand zu stecken, aber das Feuer erlosch beide Male von selbst. Auch der jüdische Friedhof wurde 1939 von der NSDAP entehrt, die Grabsteine wurden beseitigt.
Feber 1939 Die Synagoge wurde in eine Turn- und Festhalle umgebaut.
März 1946 - ein nicht realisiertes Projekt "Neubau der Volksschule in Güssing - Vorentwurf" / Architekt Anselm Podlipny:
Im Lageplan befinden sich auf den Grundstücken Nr. 20, 21, 22 und 23, oben als "Jetziger Zustand" bezeichnet, der Tempel und das Haus des Rabiners. Auf dem Grundstück Nr. 13 befindet sich die 1893 erbaute Römisch-katholische Volksschule und auf dem Grundstück Nr. 12 der Turnplatz.
Der unten als "Geplanter Zustand " bezeichnete Entwurf eines Gebäudekomplexes besteht aus einer 8-klassiger Volksschule, Kindergarten, Rathaus, Gendarmerie und Kino. Das Rathaus und die Gendarmerie sind auf einem Teil des Grundstücks Nr. 12 situiert. Der Rest des Grundstücks bleibt als neuer Hauptplatz frei. Verbunden sind die beiden Teile im Obergeschoss mit dem Kino, unter dem sich die Durchfahrt zum Hauptplatz befindet. Der Neubau der Volksschule sollte die Römisch-katholische Volksschule auf dem Grundstück Nr. 13 ersetzen. Dieser Entwurf wurde nicht verwirklicht.
Eine neue Planung einer 10-klassigen Volksschule auf dem Grundstück 366/2 südlich des Friedhofs wurde begonnen. Baubeginn war 1949. 1950 wurde ein Teil und 1951 die ganze Schule bezogen.
Die alte römisch-katholische Volksschule auf dem Hauptplatz wurde 1958 abgetragen. Zu diesem Zeitpunkt war das Rathaus bereits fertiggestellt.
Projekt "Neubau der Volksschule in Güssing" / Ansichten
Projekt "Neubau der Volksschule in Güssing" / Grundriss Obergeschoss / Rathaus, Kino und Volksschule
Projekt "Neubau der Volksschule in Güssing" / Westansicht Rathaus und Schnitt durch Schule
Projekt "Neubau der Volksschule in Güssing" / Grundriss 2. Untergeschoss / Schule und Kindergarten
Jänner 1952 - ein nicht realisiertes Projekt "Amts- und Wohngebäude" - Vorentwurf / Architekt Anselm Podlipny:
Auf den Grundstücken Nr. 12, 20, 21, 22 und 23 sind Kino, Einstellräume für die Feuerwehr im Untergeschoss, Postamt und Gendarmerie im Erdgeschoss, Rathaus im 1. Obergeschoss, sowie 24 Wohnungen geplant. Wie im Vorprojekt befinden sich die Gendarmerie und das Rathaus auf einem Teil des Grundstücks Nr. 12. Eine Durchfahrt unter dem Gendarmeriebezirkskommando verbindet die Kirchengasse mit dem Hauptplatz.
Projekt "Amts- und Wohngebäude" / Ansicht Grabenstrasse und Lageplan
Projekt "Amts- und Wohngebäude" / Schnitte und Ansichten Hauptplatz
Projekt "Amts- und Wohngebäude" / Grundriss Erdgeschoss
Nach zwei weiteren Entwürfen Anfang des Jahres 1953, bei denen das Projekt verkleinert wurde und nunmehr auf den Grundstücken Nr. 20 und einem Teil des Grundstücks Nr. 23 platziert war, entstand im April 1953 das endgültige Projekt "Um- und Neubau eines Rathauses mit Kino und Wohnungen der Grossgemeinde Güssing" / Einreichplan / Architekt Podlipny.
Dieses Projekt wurde in den Jahren 1953 bis 1956 auf den Überresten des Tempels realisiert.
Im Fundamentplan, im Untergeschossplan und im Erdgeschossplan sind die bestehenden Mauern des Tempels sowie die Stützpfeiler deutlich erkennbar. Diese Mauern umfassen das neue Kino.
Das Kino ist für 300 Personen geplant.
Im Erdgeschoss befindet sich der Kinoeingang, die Galerie, sowie links neben dem Eingang eine Wohnung für den Haumeister.
Im 1. Obergeschoss befindet sich das Gemeindeamt.
Im 2. Obergeschoss sind zunächst 3 Wohnungen und in einer Variante das Arbeitsamt geplant. Im Dachgeschoss sind 3 Wohnungen vorgesehen.
Ansicht Nordost mit Schnitt durch den Durchgang und die Filmvorführkabine.
1953 Ansicht der Synagoge von der Burg
1953 Beginn der Abbrucharbeiten
1953 Baubeginn Rathaus und Kino.
Die Aussenmauern der Synagoge wurden grösstenteils stehen gelassen.
Die Zeichnung zeigt die verbliebenen Wände.
1953 Bauarbeiten Rathaus und Kino
ca.1958 Das Rathaus und das Kino wurden plangemäss ausgeführt. An Stelle der Wohnungen im 2. Obergeschoss wurde die Gendarmerie Güssing eingerichtet und im Dachgeschoss das Vermessungsamt.
Parallel zum Rathausbau - 1954 bis 1958 - wurde auf den benachbarten Grundstücken 21, 22 und auf dem mittlerweile geteilten Grundstück Nr. 23 (23/2 - Hauptplatz 5), auf dem vorher das Haus des Rabiners gestanden ist, der "Wohnhauswiederaufbau B 94" für den Verein der Freunde des Wohnungseigentums an das Rathaus angebaut. Ebenfalls von Architekt Podlipny geplant.
ca. 1958 Die alte Volksschule war bereits abgetragen, der Hauptplatz als Parkplatz umgestaltet.
Der bestehende Durchgang beim Kino, der die Grabenstrasse und den Hauptplatz verbindet (Grundstück Nr. 19) und der beim Rathausbau mit der Filmvorführkabine (Bildwerferraum) überbaut wurde, wurde im Zuge des Projektes "Wohnhauswiederaufbau B 123" (Hauptplatz 9) auf den Grundstücken Nr. 16/2, 17, 18 und 19 für den Verein der Freunde des Wohnungseigentums um ca.1966 zur Gänze überbaut. Die in diesem Bereich bestehenden Fenster des Rathauses wurden verschlossen und die Gebäude optisch verbunden.
ca. 1967 Die gegenüberliegenden Gebäude auf dem Grundstück Nr. 11 wurden abgetragen.
1967 Hauptplatz
1997 Im Eingangsbereich des Rathauses wurde eine Gedenktafel angebracht, die an die Zerstörung, Entweihung und die Plünderung der Synagoge erinnert.
2003 Hauptplatz
2007 wurde der Hauptplatz neuerlich umgestaltet.
09. 11. 2021 Von der Güssinger Historischen Gesellschaft sowie SchülerInnen des BRG Güssing wurden vor dem Rathaus "Stolpersteine" als Erinnerungsmahnmale für die jüdischen Opfer des Nationalsozialismus verlegt. Eingraviert sind die Namen Jakob und Ida Grünfeld. Jakob Grünfeld war der letzte Rabbiner in Güssing und das Ehepaar lebte bis 1938 im Rabbinerhaus neben der Synagoge.
Quellen:
https://regiowiki.at/wiki/jüdische_Gemeinde_Güssing
www.atlas-burgenland.at
Bild-Archiv Österreichische Nationalbibliothek
Österreichisches Jüdisches Museum
Bilder-Chronik der Stadt Güssing / Paul Hajszányi
Nachlass Architekt Anselm Podlipny
Fotos von Fotos aus dem Nachlass Anselm Podlipny von Johann Gallis
TU Wien / Institut für Architektur und Raumplanung / Diplomarbeit / Matthäus Beczak